Mittwoch, 24. Februar 2016

Alle Toten fliegen hoch. Amerika

Eigentlich ist Joachim Meyerhoff Schauspieler. Nebenbei aber auch ein großartiger Erzähler. In Bühnenprogrammen berichtete er über die Geschichten seiner Jugend, die in insgesamt drei Teilen auch als Buch erschienen sind.
Alle Toten fliegen hoch. Amerika ist der erste Teil und hat mir, soviel sei jetzt schon verraten, ausnehmend gut gefallen.
Nach drei Seiten musste ich zum ersten Mal laut kichern. Bei meinem Bruder, den ich dem selben Test unterzog ging es noch schneller.
Nach den nächsten 30 Seiten erkannte ich mich in der Beschreibung dieses ekligen Gefühls ein unfähiges Landei unter urbanen, hippen Menschen zu sein wider. Nicht schön übrigens. Und woher bekommen die nur alle ihr unfassbares Ego?
Nach der Hälfte war ich erschüttert und nach den letzten Seiten habe ich mir den zweiten Band ausgeliehen.


Erzählt wird (vielleicht komplett biographisch, vielleicht auch weniger) die Geschichte des 18-jährigen Joachims, der 1985 für ein Austauschjahr nach Amerika geht. Der Ich-Erzähler berichtet witzig, leicht und flüssig. Lakonisch und liebenswert blickt er mit jugendlichem Charme auf die Welt. Er mischt die aktuellen Erlebnisse mit Berichten aus seiner Kindheit mitten in der schleswig-holsteinischen Pampa mit zwei großen Brüder, die ihn mal drangsalieren, mal retten. Brüder eben. 
Dann die Geschehnisse in Amerika: Schwankend zwischen Heimweh und dem Genießen der neuen Freiheiten. Die Aufnahme ins Basketball-Team, Whirlpool-Partys, amouröse Verwicklungen und Erfahrungen, ein Besuch im Todestrakt und so weiter und so fort. Ein Geschichtenerzähler im besten Sinne, mit Alltäglichkeit neben beinahe bizarren Begegnungen.
Einer der größten Vorzüge des Romans ist die liebevolle Erzählhaltung. Ganz ohne Urteile über frühere Ansichten und möglicherweise Dummheiten, ohne das Verurteilen der teilweise aberwitzigen Kleinstadt-Persönlichkeiten Wyomings. 


Das Buch startet anekdotenreich, die Handlung selbst nimmt in Amerika an Fahrt auf. Und dann, völlig unvermittelt, so brutal, wie nur das echte Leben sein kann offenbart sich die ganze Fragilität des Daseins. Damit verändert sich auch das Lesen, rutscht in eine tiefere Schicht, geht unter die Haut. Ab diesem Zeitpunkt saß ich völlig gebannt vor dem Buch und habe es letztlich in einem Rutsch beendet.  Ich will nicht spoilern, daher dazu nicht mehr. Beeindruckend ist jedoch, wie der Autor es auch dann noch schafft seinem Ton treu zu bleiben. Glaubhaft beim Jugendlichen bleibt, der seinen eigenen Weg findet. 

Die wunderbare Iris Radisch hat übrigens auch einen Kommentar dazu.

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