Donnerstag, 29. September 2016

Abschiedsschmerz



Während ich diese Zeilen tippe sitze ich mit zwei Freundinnen da, eben gab es Nudeln für alle, jetzt arbeiten wir gemeinsam (ich mehr moralisch) an der Bachelorarbeit, die morgen abgegeben werden muss. Wenn die Beiden dann abgeben, werde ich schon zum letzten Mal auf dem Weg aus der Unistadt sein und bereits jetzt wird mir beim Gedanken daran ganz anders.



In dieser Woche habe ich noch einmal alles mitgenommen. Ein Besuch bei den Babysitterkindern, eine Stunde bei der Gesangslehrerin und ganz viel Zeit mit den lieben Menschen.
Und teilweise hat es sich fast so angefühlt, wie der ganz normale Unialltag. Auf dem Weg vom einen Termin zum nächsten durch die Stadt zu schlendern. Fast als ob man später noch in der Bib vorbei geht, ein paar neue Bücher abholt, ein bisschen was liest und abends wieder in seine eigenen vier Wände zurückkehrt.

Sechs Jahre lang waren die 20 und ein paar Quadratmeter mein Zuhause, mein Rückzugsort, mein Turmzimmer und meine Burg, mein Nest und vor allem einfach Mein. Ein bisschen abgelegen waren die wenigsten jemals zu Besuch, nicht mal nach Besuch musste man sich richten. Pure Alleinherrschaft zum ersten mal weg von den Eltern.



Wohnungen werden neue kommen. Was ich am meisten vermissen werde ist das freie Leben und die vielen lieben Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind. Zwischen Tutorien, Kursen, Nebenjob und Verabredungen selbst die Zeit einteilen können, zwischen spannenden Themen und herzlichen Menschen zu leben und vor allem die Möglichkeit zu haben sich nach Herzenslust in Themen zu vertiefen, sich Fachwissen anzulesen und wissenschaftlich zu arbeiten, alles im eigenen Tempo ist ein unfassbarer Luxus.



Liebes Ei, liebe Nachbarin, liebe Bib, liebe Cafete, lieber Sternenhimmel, der sonst nirgends so schön ist wie hier - Ihr werdet mir ganz schön fehlen!

Freitag, 23. September 2016

Teilzeit-Hippie



Im Allgemeinen sind meine Hippie-Fähigkeiten eher übersichtlich und schwäbische Grundtugenden überwiegen. Wenn nicht im Urlaub, wann dann könnte man sich aus diesen festgefahrenen Mustern befreien und einmal ganz neue Rollen ausprobieren? Der kleine Bruder mit VW-Campingbus ist ja quasi der wichtigste Schritt. Obendrauf noch einen Windsurfkurs, eine mit Klebeband am Armaturenbrett befestigte Sonnenblumen und schon war die Basis-Ausstattung beisammen. 
Na ja, so ganz aus meiner Haut kann ich dann halt doch nicht. Die große Freiheit des mobilen Heims ist mindestens dreimal so schön, wenn man zuvor den ganzen Kühlschrank mit Reiseverpflegung vollstopft und auch wenn mein erstes Mal Campingplatz an sich lange nicht so traumatisch war wie der innere Spießer zuvor befürchtete, habe ich es spätestens nach zwei Tagen sehr bedauert nicht an einen kleinen Besen gedacht zu haben, um ab und an mal rauszukehren. (Man merkt - schwäbische Grundtugend Kehrwoche. Die wird man einfach nicht mehr los.)



Nichtsdestotrotz hatten wir einen wirklich sehr schönen und extrem sauberen Campingplatz erwischt und sind jeden Morgen mit Sicht auf den See wach geworden. Apropos See: Der Gardasee war der ideale Kompromiss für Menschen, deren Urlaubserwartungen unterschiedlicher nicht sein könnten. ("Ein Urlaub wird erst dann gut, wenn man eine Jacke braucht." vs. "Ich will schon beim Rumliegen schwitzen." Und "Man kann auch gut mal nur den ganzen Tag rumliegen." vs. "Hopp hopp, Sachen anschauen, alles abklappern und Action!")
Der Surfkurs war perfekt, um jeden Tag zumindest ein bisschen Programm zu haben. Außerdem  habe ich bald festgestellt, dass die meisten Orte (auf den Bildern: Malcesine) zwar an sich ganz nett sind aber auch furchtbar touristisch und überlaufen. Insofern war das Ersatzprogramm mit Lesen (dazu bald mehr) und Gammeln doch ganz willkommen und in einem schlimmen Fall von Unterbeschäftigung kann man ja immer noch einen Berg besteigen und von oben auf den See schauen. (Kleiner Tipp am Rande: Spart euch den Monte Baldo mit der Seilbahn. Da will jeder hoch und die Wartezeiten sind teilweise enorm. Wir haben einen weniger bekannten Berg direkt vor unserer Haustür genommen und hatten trotzdem wundervolle Wege und nicht nur HalliGalli.)



Werden mich die offensichtlichen Vorteile wie Bettwäsche, die nicht nach muffig und fremd riecht, sondern nach daheim und vertraut vielleicht auf Dauer doch noch zum Vollzeit-Hippie machen? Hmm, mal abwarten. Den Bus habe ich auf jeden Fall ins Herz geschlossen, der nächste Trip ist zumindest schonmal angedacht und schön war es definitiv.

Montag, 19. September 2016

Darauf eine ganze Butterbrezel - oder - ein Schreibzyklus

Freitagmorgens nachdem ich mit meinem Chef telefoniert habe und meine Wochenendtermine habe, entscheidet sich die Stimmung des Wochenendes. Vergangenes WE tänzele ich (nach der sehr, sehr mauen Sommerlochspause) enthusiastisch in die Küche und verkünde meiner Familie: "Acht Termine, mein Chef liebt mich wieder."

Freitagabend sitze ich in einer zugigen Klosterkirche und höre, was ein unfassbar uninteressierter Bürgermeister mit grauer Seele zu 500 Jahre alten Chorbüchern zu sagen hat. Als der Freie Historiker das Wort ergreift übermannt mich akute Sehnsucht nach ordentlicher, wissenschaftlicher Arbeit und spätestens bei dem Vortrag der wirklich guten Sopranistin kommt Sehnsucht nach meiner Unistadt und der Gesanglehrerin dazu. Der Artikel schreibt sich dafür wie von selbst und ist zwei Stunden vor Redaktionsschluss schon eingesandt. Läuft.

Samstagmorgen. Weltkindertagsfest. "Auf Kinderrecht aufmerksam machen und zeigen, dass es Kindern nicht überall so gut geht wie hier." Das wollen sie. Umgesetzt wird: Basteln und Kinderschminken und peinliche Mitsinglieder. Auf dem Rathausbalkon steht der erste Bürgermeister, verweigert das Mitsingen und schämt sich fremd. Dafür halten wir ein erquickliches Pläuschchen auf dem gemeinsamen Weg zum nächsten gemeinsamen Termin und absolvieren auch diesen in Rekordzeit. Der Termin als solcher ist denkbar uninteressant, aber ein netter Uhrensammler erzählt, dass er haufenweise schmale, goldene Damenuhren einschmilzt, weil keiner mehr Interesse an ihnen hat. Mit einer Telefonnummer und der Zusage auf eine neue Uhr entschwinde in gen Mittagessen.

Samstagmittag. Mittelaltermarkt. Eine gute Freundin ist unter dem Lagervolk. Der Zeitplan war knapp und sie wird Zeugin, wie ich innerhalb einer Stunde den Markt abnehme, Besucher und Akteure befrage und haufenweise Bilder mache. Ich merke, wie sehr mit der Job schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, wenn sie ihr Erstaunen darüber äußert, dass ich bevor ich Bilder mache auf Leute zugehe und nach Erlaubnis frage.



Samstagabend. Lichtkunstfestival und musikalische Kneipentour. Es hat angefangen zu regnen, die Laune sinkt. Im Dunkeln finde ich den Weg zum Veranstaltungsort nicht, komme eine halbe Stunde zu spät. Eventuelle Reden habe ich verpasst. Die Show gelinde gesagt qualitativ übersichtlich (siehe Bild - seht ihr auch einen Elefanten?). Ein Mann mit Mütze, großer Hornbrille und sehnsuchtsschwerem Blick huscht durch die Menge. Ich spreche ihn an und habe Recht, er ist der Künstler... Überraschung. Er hat bewusst "offen formuliert, um Interpretationsspielraum zu lassen", aus Zuschauersicht hat er einfach nur Mist fabriziert. Auf der Suche nach einer Besuchermeinung gerate ich an den großen Ortskünstler (ganz schlecht, wenn man den nicht erkennt), der ebenfalls hemmungslos herzieht. Immerhin.
Danach Kneipentour. Immer noch Regen. Ich warte stundenlang bis endlich die DJs anfangen. In der ersten Location schon ehemaligen Klassenkameradinnen begegnet. Die Kamera macht im Dunkeln verwackelte Bilder. Die Laune ist auf dem Tiefpunkt. Das Wissen um haufenweise Schreibarbeit am nächsten Tag nimmt jegliche Feierlaune. Die Welt ist blöd und gemein und immer zu mir.
Danach bis halb eins noch den ersten Artikel geschrieben.

Sonntagmorgen. Um sieben aufstehen und schreiben. Danach zum Gottesdienst. Ein Patrozinium. Namenstag für Kirche. Kaiserin Helena soll das Kreuz gefunden haben, an das Jesus damals geschlagen wurde. Na, wer's glaubt. 
Nettes Pläuschen mit den nächsten Bürgermeister. Wie schaffen die es nur, sich soviel Namen zu merken, sich an meine korrekten Fächer zu erinnern und tatsächlich den Eindruck zu vermitteln es würde sie interessieren, was ich zu sagen habe? Die Tochter von Manfred Rommel erzählt aus seinem Leben. Ich fühle mich uninformiert und (nicht, dass ich klage, diese Gelegenheiten werden seltener) ein bisschen zu jung, um tatsächlich mitreden zu können. Als ich während meines 7-Artikel-Schreibmarathons den ein oder anderen Artikel über ihn lese und ein klitzekleines Video mit ihm anschaue bedaure ich die Tatsache meines Unwissens fast ein bisschen. Ich meine, der Mann hat die halbe Butterbrezel erfunden. Wie viel mehr schwäbische Grundtugenden können in einem einzelnen Menschen vereint werden.
Der übliche Schreibzyklus von Freude über Termine, sinkende Laune und steigende Zahl von Flüchen pro Minuten nähert sich mit jedem abgeschickten Text wieder der anfänglichen Freude. Langsam traut sich die Familie wieder aus ihren Löchern. Warum nur hab ich mir Schreiben als Job ausgesucht, keine andere Tätigkeit macht mich dermaßen grantig.
Den Höhepunkt erlangt die Laune beim montäglichen Zeitungslesen und Bilder (=Geld) zählen.

Darauf eine Butterbrezel!


Dienstag, 13. September 2016

September 12/12

Meine zweiten 12/12, die wie immer hier gesammelt werden. Nachdem die letzten Monate ganz im Zeichen der Abgabe standen, hat sich nun wieder die Zeit gefunden. Am Montag ging in Ba-Wü die Schule wieder los und auch bei mir war am Sonntag Rückreisetag. Somit bestand mein 12. September leider hauptsächlich aus Hin- und Hergeräume. Na, wenn das mal nicht spannend klingt.



In aller Herrgottsfrühe aufgestanden, um den Miturlauber, der schon wieder arbeiten muss, zum Bahnhof zu bringen. Vermutlich auch erst auf dem Rückweg wirklich aufgewacht.
Allerspätestens aber beim Frühstück. Dieses selbstgemachte Roggenvollkornbrot möchte mit voller Aufmerksamkeit (und Kraft) gekaut werden. Manch ein familiärer Banause spricht sogar davon, es sei zu fest geworden, tzzz. Apfelschnitze gelten in diesem speziellen Fall übrigens als Hommage an das klassische Ferienfahrtsessen: Apfelschnitze und hartgekochte Eier. Man muss sich seinen Urlaub so lange wie möglich erhalten.




Der Miturlauber und ich haben unsere Apfelschnitze stilecht im T4 während des Staus am Fernpass verspeist. Überhaupt waren diese paar Quadratmeter Dreh- und Angelpunkt meines ersten richtigen Campingurlaubs. Dementsprechend sah es dann leider auch aus und ich habe den noch relativ kühlen Vormittag genutzt, um unzählige Male Sachen herauszutragen, alles zu saugen, zu wischen und ihn dann dem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben.




Vor dem Urlaub habe ich schon die ersten Kisten aus der nunmehr bald ehemaligen Unistadt mitgenommen, was ein akutes Platzproblem mit sich bringt. Die alten Italienisch- und die neuen Surfunterlagen haben gerade noch so einen Platz gefunden, danach musste erst mal altes Zeug weichen. Mit Hilfe der Restfamilie haben wir es immerhin auf sechs Säcke für die Altkleidersammlung gebracht, die jetzt zumindest ein bisschen neuen Stauraum bieten. Leider bei weitem nicht genug. Wie kann ein einziger Mensch nur so viel Krempel anhäufen?



Während die Familie dann dem Aufräumwahn verfiel (Mein Bruder hat alle Spiele neu sortiert und auf Vollständigkeit geprüft (sollte ich jemals Kinder haben, brauchen die definitiv kein neues Spielzeug) habe ich mit Jan und Olli im Ohr Mittagessen gekocht und mich dafür im Anschluss mit Kaffee und Kuchen verwöhnen lassen. Ich wünschte diese Auswahl wäre normal, kam aber nur durch eine Kuchenspende von Oma zustande.
Damit das Essenangebot nicht abreißt, habe ich mich dann zur Betüddelung meines Sauerteigs entschlossen. Schon im Urlaub habe ich mich darauf am meisten gefreut. Vielleicht sollten sich alle Menschen einen Sauerteig halten, damit sie lieber wieder zurückkommen?



Was eigentlich nur eine kurze Lesepause werden sollte (man bewundere Bräune und Blessuren - alles vom Surfen) wurde schließlich ein ausgedehnter Mittagsschlaf, bis die liebe S. (Hu hu!) anrief.
Einen Großteil meines Krempels machen übrigens neben Küchenkram meine Bücher aus. Diese hier fanden ein provisorisches Zuhause auf dem Kleiderschrank. Weil auf der Heizung kein Platz mehr war. In mehreren Reihen. Und es sind noch nicht mal alle. Oh weia.




Gemeinsames Essen mit allen und frisch auftautem, eigenem Brot. Während ich in Italien war, hat sich ein anderer Teil der Familie in Frankreich aufgehalten und haufenweise Käse importiert. 
Vor dem abschließenden mit-Buch-ins-Bett wurde dann nur noch die zweite Sauerteigbetüddelungsrunde gestartet (Könnt ihr sehen, wie braun ich bin? Also zumindest bis zur Neoprenkante.). Im Idealfall wird daraus am Mittwoch ein Bierbrot. Es bleibt also spannend.



Freitag, 2. September 2016

Work in progress

Das schöne an längeren Freizeitphasen ist ja dieser Punkt, an dem man plötzlich nicht mehr nur aufgabenlos und unbeschäftigt ist sondern in einen kreativen Flow kommt. (Gibt es dafür denn auch ein schönes deutsches Wort?)
Bei mir äußert sich das meist in Projekten, die in irgendeiner Form die Finger beschäftigt halten. Daher ein kurzer Einblick in mein Gewerkel der letzten paar Tage.

Ewiger Favorit und grundsätzlich beste Beschäftigung ist ja eh immer Bücherstapel ablesen. Von den ersten habe ich hier ja schon berichtet. Nicht auf dem Bild, aber dafür eine Empfehlung mit Ausrufezeichen ist "Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells. Alle anderen, die bereits loben haben Recht und auf bei mir wird es wohl in die Top 5 des Lesejahres 2016 einziehen. Ein Liebesbrief an die Literatur, an die Liebe, ans Leben, ans Traurigsein, ans Weitermachen, ans Scheitern und ans Festhalten. Ich hab gelacht und geweint und in schönen Sätzen und Gedanken gebadet.
Unbedingt lesen!



Sukkulenten sind ja momentan überall und auch ich habe mir schon vor einiger Zeit welche angeschafft. Leider gab es die gärtnerischen Fähigkeiten nicht inclusive und das dumme Ding wuchs schneller in die Höhe als Bambus. Na ja, das Internet weiß für alles eine Lösung und im Idealfall habe ich innerhalb der nächsten Wochen nicht nur eine Originalpflanze, sondern auch diverse Mini-Ableger. Umgetopft habe ich bei der Gelegenheit auch gleich und irgendwann wird der grüne Daumen schon auch noch kommen.



Beschäftigung Nummer 1 ist aber mein Sauerteig, denn ich letzte Woche, dank jahrelangem Mitlesen endlich angesetzt habe. Und obwohl ich ansonsten Temperaturen über 30 Grad für ein (um ehrlich zu sein nicht mal notwendiges) Übel halte, haben sie meinem Sauerteigbaby zu wahrer Schönheit verholfen. Seither betüddle und pflege ich ihn mit mütterlichem Stolz, trage ihn in die Wärme und in die Kälte, rede ihm gut zu, verteile fleißig die Ableger-Nachkommenschaft und schrecke auch nicht davor zurück ihn im Auto aufzubewahren, wo er es besonders warm und kuschelig hat. Für die Rundumbetreung belohnt er mich mit einer stattlichen Anzahl perfekter Blubberbläschen und beinahe schon zu luftigen Ergebnisse. Brot Nummer 5 backt gerade vor sich hin und ich fürchte hier demnächst eine wahre Brotparade aufzufahren. Seid gewappnet.