Und dann hab ich erst angefangen nachzudenken. Das ist ja ein bekannter Fehler erst zu reden und dann zu sprechen und es ist mir doch sehr unangenehm, wenn ich mich selbst auch dabei ertappen muss. Auf jeden Fall fiel mir ein, dass ich da doch ziemlich Kohl verzapft habe. Immerhin ist es ja nicht nur eine veritable Notlage, in der sich so ein kleiner Mensch ohne Essen und auf dem Boden befindet. (Das meine ich tatsächlich vollkommen unironisch.) Es ist doch irgendwie auch eine sehr starke Romantisierung dieses Zustands Kindheit.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich Kind sein durchaus nicht immer als angenehm empfand. Klein sein heißt auch vieles nicht zu verstehen, vieles nicht einordnen zu können und das kann ganz schön beängstigend sein. Zu Grundschulzeiten wollte ich meine Haare auf Kinnlänge kürzen lassen, was die engagierte Friseurin angesichts der bisherigen Länge zur Aussage bewegte da müsse ich aber bluten. Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, wie stocksteif ich schweißgebadet auf dem Friseurstuhl saß und in größter Angst wartete ob sie mir jetzt die Ohren abschneidet, aus Versehen den Hals touchiert oder was da bitte sonst bluten soll. Vielleicht war ich ein besonders ängstliches Kind. Vielleicht aber auch nicht. An das Gefühl kann ich mich jedenfalls noch gut erinnern. Auch an das Gefühl krank zu sein und gar nicht zu verstehen, was da gerade mit mir passiert.
Nachdem ich begonnen habe nachzudenken habe ich sehr nachdrücklich meinen Mund wieder zugeklappt. Habe dem kleinen Menschen die Hand auf die Seite gelegt, auf diese noch so zarten, kleinen Rippen und mir fest vorgenommen noch ein bisschen besser als ohnehin schon auf ihn aufzupassen.